Tribes, Guilds und Squads … das Erscheinungsbild des Organigramms eines agilen Unternehmens weist Muster auf, die unzweifelhaft auf seinen Charakter schließen lassen. Daher ist das Organisationsmodell von Spotify zu einem nachahmenswerten Referenzmodell für jede Organisation geworden, die einen “agilen” Transformationsprozess in Gang setzen möchte.
Der Glaube ist weit verbreitet, dass dieses Organisationsmodell mit mehreren Rollen und Funktionen der Schlüssel zum Erfolg einer agilen Organisation ist. Diese Überzeugung erklärt, warum sich viele Unternehmen auf die Reise zu Exzellenz begeben, indem sie gleich zu Anfang Schulungsprogramme entwickeln, damit alle Mitarbeiter ihre neuen Rollen verstehen und die ihnen im neuen Organigramm zugewiesene Rolle akzeptieren.
In den meisten Unternehmen bringt die Einführung einer neuen Organisationsstruktur jedoch nicht die erwarteten Ergebnisse in der vorgegebenen Zeit: sie verbessert weder die Kundenorientierung der Teams noch erhöht sie die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens auf Veränderungen des Umfelds (Technologie, Kunden…).
Es gibt eine Reihe von Gründen, die man zur Erklärung dieser “Fehler im System” anführen kann, aber die Wurzel allen Übels ist der Implementierungsprozess selbst: wie bei den meisten organisatorischen Veränderungen üblich, wenden Unternehmen enorme Anstrengungen auf, um Methoden zu kopieren und das Verhalten ihrer Referenzmodelle nachzuahmen.
Dagegen wird nur sehr wenig Zeit darauf verwendet, das Wesen des Systems, die Werte, die all diesen Artefakten und Methoden zugrunde liegen, zu verstehen. Oft wollen wir die Ergebnisse eines Systems erreichen, ohne den festen Willen, auch die Werte der neuen Arbeitskultur zu verinnerlichen
Das Gegenteil ist der Fall: Die Organisation war bereits agil, bevor sie all diese Funktionen erhielt. All diese Rollen sind nach und nach entstanden, als die Teams selbst erkannt haben, dass sie notwendig waren, um Werte zu schaffen. Sie haben experimentiert und durch fortgesetztes Experimentieren gelernt. Heute, Dutzende von Experimenten später, zeigt sich, dass das Übertragen auf irgendeine andere Organisation absolut keinen Sinn hat.
Uns gefällt in diesem Zusammenhand ein Gedanke von Taichi Ohno ganz besonders:
“Lassen Sie den Versuch, Weisheit zu borgen, und denken Sie selbstständig. Stellen Sie sich Ihren Schwierigkeiten und denken Sie, denken Sie, denken Sie und lösen Sie Ihre Probleme selbst. Leiden und Schwierigkeiten bieten Chancen, besser zu werden. Erfolg ist nie aufzugeben.”
Wenn also nicht durch die Beschreibung von Rollen und Funktionen: womit sollte die Konzeption einer agilen Organisation sonst beginnen?
1968 veröffentlichte Dr. Melvin Conway einen Artikel, der darauf abzielte, einige der Merkmale jener Organisationen zu verbreiten, die sich in irgendeiner Weise der Konzeption von Systemen befassen.
An einer Stelle des Artikels erklärt Dr. Conway, dass Organisationen, die komplexe Systeme entwerfen möchten, ihre eigenen internen Kommunikationsstrukturen unbedingt in dieses Modell übernehmen wollen. Laut Dr. Conway ist das fertige Produkt oder die Dienstleistung eines Unternehmens in gewisser Weise der Spiegel, der das Organigramm des Unternehmens reflektiert.
Anstatt das Organigramm wie ein Puzzle zusammenzusetzen und die neuen Rollen, die von Spotify oder anderen übernommen wurden, hineinzuquetschen, sollten wir lieber damit beginnen, über den Wertschöpfungsfluss unserer Betriebe und die Anforderungen unserer Kunden nachzudenken. Nur auf diese Weise werden wir zu einer Organisationsform gelangen, die deren Ansprüchen effizient gerecht wird.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich bei den Teams, die als Ergebnis dieser Analyse der Werteflüsse auftreten, um multidisziplinäre Teams handelt, die sich auf dieselbe Wertschöpfungskette konzentrieren. Wir sollten jedoch nicht dem Irrtum verfallen und annehmen, dass alle Teams in der Organisation diesem Modell entsprechen werden. In einigen Bereichen der Organisation wird das effizienteste Organisationsmodell je nach Wertbeitrag ein völlig anderes sein:
Mit Blick auf die Beziehungen zwischen Teams können wir folgende Beziehungsmodelle unterscheiden:
Diese Ausführungen verdeutlichen, dass die organisatorische Konzeption niemals das Ergebnis des Kopierens von Rollen oder Artefakten sein kann, die andere Unternehmen in ihre Organigramme eingebunden haben. Die Hoffnung, dass sich damit alles auf ganz natürliche Weise wie in einem perfekten Räderwerk synchronisiert, erfüllt sich nicht.
In diesem letzten Punkt muss daran erinnert werden, dass “alle Organisationen perfekt darauf zugeschnitten sind, eben genau die Ergebnisse zu erzielen, die sie dann auch erhalten”.
Daher erscheint es logisch, eine Veränderung des Organisationsaufbaus mit dem Nachdenken über das Ziel der Organisation zu beginnen und darüber, wie die Ergebnisse, die man erreichen möchte, aussehen sollten.